Grundwasser: Herkunft, Neubildung, Bedeutung

Grundwasser: Herkunft, Neubildung, Bedeutung
Grundwasser: Herkunft, Neubildung, Bedeutung
 
Nach M. I. Lwowitsch beträgt der Grundwasservorrat der Erde 60 Millionen Kubikkilometer. Davon lassen sich aber nur 4 Millionen Kubikkilometer uneingeschränkt nutzen. Das Grundwasser füllt definitionsgemäß als frei bewegliches Wasser zusammenhängende Hohlräume im Untergrund und seine Bewegung unterliegt nur der Schwerkraft. Es tritt nach mehr oder weniger langem unterirdischem Fließweg in Quellen zutage oder strömt unmittelbar in oberirdische Gewässer ein. Ein Teil des Niederschlagswassers, das auf die Erdoberfläche der Kontinente fällt, versickert in den Untergrund. Die Geschwindigkeit der Versickerung hängt im Wesentlichen vom geologischen Untergrund ab.
 
 Herkunft des unterirdischen Wassers
 
Unterirdisches Wasser kann verschiedene Ursprünge haben; sein Vorhandensein lässt sich auf unterschiedliche Ursachen zurückführen: auf den Aufstieg juvenilen, also aus dem Erdinnern stammenden Wassers, die Kondensation von Wasserdampf im Boden, die Versickerung der Niederschläge, die Infiltration aus Oberflächengewässern und die vom Menschen bewirkte Anreicherung des Grundwassers. Unterirdisches Wasser kommt in mehreren Erscheinungsformen vor; Grundwasser ist eine Form von unterirdischem Wasser.
 
Die Versickerung von Niederschlagswasser ist dabei wesentlich von der Speicherfähigkeit und der Durchlässigkeit der Gesteine abhängig. Aus der Art der Hohlräume und ihrer Verbindung untereinander ergibt sich die Formung der unterirdischen Wasserwege und das Ausmaß der Wasserführung in den unterschiedlichen Gesteinen. Dabei sind die Gesteinshohlräume, also alle nicht mit festen Substraten ausgefüllten Bereiche, wichtig. Hierzu zählen insbesondere Poren, Klüfte, Spalten, Höhlen sowie künstliche Aufschlüsse unterhalb der Erdoberfläche.
 
Neben den oben genannten Herkunftsvarianten des Grundwassers gibt es noch bedeutende fossile Grundwässer. Sie sind vor einigen Zehntausenden von Jahren aus dem Wasserkreislauf ausgeschieden worden.
 
Grundwasser kann letztlich nur dann entstehen, wenn der Niederschlagsgewinn den Verdunstungsverlust überwiegt. Selbst das mit rund 60 Milliarden Kubikmetern größte Süßwasservorkommen der Erde unter der Sahara wurde durch versickertes Niederschlagswasser gebildet. Der Grundwasserspeicher erreicht dabei mehr als 1000 Meter Tiefe.
 
Dass auch in anderen Teilen der Wüstenregionen trotz geringer Niederschläge und hoher Verdunstungsverluste Grundwasser vorkommt, ist in erster Linie auf die Kondensation des in das Erdreich eindringenden Wasserdampfes zurückzuführen.
 
 Bedeutung des Grundwassers
 
Aufgrund der weltweiten Verschmutzung der Oberflächengewässer gewinnt der Schutz des Grundwassers immer größere Bedeutung — dies um so mehr, da der Wasserbedarf in den letzten 50 Jahren sehr stark angestiegen ist. 1930 wurde ein mittlerer Wasserverbrauch von 80 Liter/Tag für Europa angegeben, heute sind es 300 Liter/Tag. Die benötigte Wassermenge ist also in einem knappen halben Jahrhundert auf das Vierfache angestiegen. In Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet kann der tägliche Wasserbedarf auch 600 Liter pro Tag und Einwohner betragen.
 
Das Grundwasser spielt eine zentrale Rolle in der öffentlichen Wasserversorgung Deutschlands. Seine Bedeutung wird deutlich, wenn man die Struktur der Wasserförderung der öffentlichen Wasserversorgung betrachtet. Die Daten lauten für 1993: 67 % Grundwasser, 10 % angereichertes Grundwasser, 8 % Quellwasser, 6 % Talsperren, 5 % Uferfiltrat, 4 % Seewasser und 1 % Flusswasser.
 
Heute herrscht in vielen Ländern der Erde bereits ein akuter Wassermangel, zum Beispiel in Ägypten, Saudi-Arabien oder Libyen. Ein »akuter Wassermangel« liegt dann vor, wenn weniger als 1000 Kubikmeter Süßwasser pro Einwohner und Jahr zur Verfügung stehen. Die Ursachen für das zunehmend existenzbedrohende Problem sind Bevölkerungswachstum, Umweltverschmutzung und Verschwendung.
 
 Grundwasserneubildung
 
Den wichtigsten Beitrag zur Grundwasserneubildung liefert die Versickerung. Damit möglichst viel Wasser in möglichst kurzer Zeit versickert und damit der Anteil der Verdunstung und der Anteil des oberirdisch abfließenden Wassers so gering wie möglich bleibt, müssen oberflächennahe Bodenschichten wenig wassergefüllt sein und eine hohe Durchlässigkeit aufweisen. Daneben ist die Art und Intensität des Niederschlags von großer Bedeutung. In der Regel führen länger anhaltende Dauerregenereignisse zu höheren Versickerungsraten als Starkregenereignisse, bei denen die überwiegende Niederschlagsmenge oberirdisch abfließt.
 
Auch die geologische Situation hat starken Einfluss auf die Grundwasserneubildung, insbesondere die Verteilung und Anordnung von wasserdurchlässigen und -undurchlässigen Gesteinen. Speicherfähige und durchlässige Gesteine werden als Grundwasserleiter bezeichnet. Demgegenüber stehen die undurchlässigen Gesteine als Grundwasserstauer. Zwar kann auch ein Grundwasserstauer Wasser speichern, aber die Poren sind so klein, dass sich das Wasser nicht mehr gerichtet bewegen kann. Grundwasserleiter und Grundwasserstauer wechseln sich mit zunehmender Tiefe häufig ab. Man spricht daher von Grundwasserstockwerken. Die Grundwasserstockwerke werden von der Erdoberfläche nach unten gezählt. Die Oberkante des Grundwasserspiegels stellt sich in derjenigen Tiefe ein, wo der atmosphärische Druck dem des Wasserdrucks in den Kapillarräumen gleicht. Unterschieden wird das Grundwasser in ungespanntes Grundwasser, an dessen Oberfläche Wasserdruck und atmosphärischer Druck (einander engegengesetzt) gleich groß sind, und gespanntes Grundwasser, das unter einem höheren Wasserdruck steht und daher in Brunnen oder Beobachtungsrohren über der oberen Begrenzung eines Grundwasserleiters liegt.
 
Neben der Versickerung liefert die Infiltration von Oberflächengewässern den zweitwichtigsten Beitrag zur Grundwasserneubildung. Liegt der Seespiegel oder der Fließgewässerpegel über der Höhe des Grundwasserspiegels, so tritt Wasser, dem Gesetz der Schwere folgend, in den Untergrund ein. Dieser Prozess ist wiederum vom Gewässeruntergrund abhängig. Aufgrund ihres hohen Eutrophierungsgrades sind viele Oberflächengewässer durch Schadstoffe abgedichtet worden, sodass kein Austausch mit dem Grundwasser erfolgen kann. Die höchsten Infiltrationsraten treten in Flussauen auf, da diese periodisch überflutet werden und die Flussschotterstrukturen hohe Filtrationsraten aufweisen.
 
 Wege des unterirdischen Wassers
 
Der Aufbrauch des Grundwassers wird als Zehrung bezeichnet. Unterirdisches Wasser geht auf vielfältige Weise wieder in den oberirdischen Bereich des Wasserkreislaufs über — es kann beispielsweise an Quellen aus dem Boden treten, es kann in Flüsse übertreten, verdampfen; auch die künstliche Grundwasserentnahme durch den Menschen gehört dazu. Im Sinne einer ökologischen Bewirtschaftung des Grundwassers nach dem Kreislaufprinzip darf nur so viel Grundwasser als Trink- und Brauchwasser entnommen werden, wie sich Grundwasser wieder neu bilden kann.
 
Das Grundwasser bewegt sich in Abhängigkeit von der Gefällesituation der Grundwasserstauer, dem Gefälle der Grundwasseroberfläche und der Gesteinsdurchlässigkeit. Daneben spielen die Korngrößenverteilung der Substrate und die Größe der Hohlräume eine entscheidene Rolle. In der Regel führen kleinere Hohlräume zu geringeren Fließgeschwindigkeiten.
 
Für die Grundwasserneubildung ist die Menge des Substratwassers von entscheidender Bedeutung. Das Substratwasser ist derjenige Teil der Niederschläge, der in unterschiedlicher Menge und Art in den Untergrund eindringt. In Abhängigkeit von Klima, Boden, Vegetation und Ausbildung des Grundwasserleiters (des Aquifers) beträgt sein Anteil in Mitteleuropa etwa 10 bis 20 Prozent des Gesamtniederschlags. Aufgrund der klimatischen Bedingungen erreicht in Mitteleuropa der Grundwasserspiegel im April, also nach der Schneeschmelze, begünstigt durch die relativ geringe Temperatur und die daraus folgende geringere Verdunstung, seinen höchsten Stand. Das oberflächennahe Grundwasser zeigt in unseren Breiten einen deutlichen jahreszeitlichen Gang. Die Differenzen zwischen dem Höchst- und Tiefststand können dabei bis zu zwei Meter betragen.
 
Im Gegensatz zu den natürlichen Grundwasserstandsschwankungen treten immer häufiger Schwankungen anthropogenen Ursprungs auf. Ursächlich dafür verantwortlich sind zum einen die zu hohen Grundwasserentnahmemengen und zum anderen die Umgestaltung der Landschaft, insbesondere die Verringerung der Rückhalteflächen, die Melioration, die Begradigung von Flüssen, die Versiegelung von Flächen und die Verfestigung des Bodens durch nicht angepasste Landwirtschaftstechnik.
 
Prof. Dr. Joachim Marcinek und Dr. habil. Olaf Mietz
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Mineraldüngung und Pflanzenschutzmittel
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Flüsse und Seen
 
 
Herrmann, Reimer: Einführung in die Hydrologie. Stuttgart 1977.
 Wilhelm, Friedrich: Hydrogeographie. Grundlagen der allgemeinen Hydrogeographie. Braunschweig 31997.

Universal-Lexikon. 2012.

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